What a wonderful world


Ein unbekanntes Stück Deutschland

Eine Flussfahrt in zwei Teilen -  
2003 und 2005 auf der Peene vom Malchiner See bis nach Usedom


Pfingsten nahte und damit die Zeit, die Boote zu Wasser zu lassen und den Staub und Schmutz des letzten Jahres endgültig abzuwaschen und eine neue Paddelsaison einzuläuten.

Wie immer begann die Suche nach einem Ziel. Was die Sache auch in diesem Jahr wiederum so schwierig machte, war nicht, daß uns kein Ziel eingefallen wäre, sondern ganz im Gegenteil, die Menge der Ziele.  

Wir einigten uns grob auf die Mecklenburgische Seenplatte und wollten dazu erstmal noch nähere Informationen einholen. Unsere Recherchen im Internet und in diversen Foren ergaben allerdings, dass um Pfingsten die reelle Gefahr bestand, vor lauter Booten kein Wasser mehr zu sehen.  Da die Müritz ohnehin nicht zu den „Großgewässern“ zählt, beschlossen wir, uns ein anderes Ziel zu suchen. Allerdings suchten wir nun nach einem anderen Ziel in Mecklenburg. Dieser Teil Deutschlands gehört  für uns immer noch zu einem unbekannten Land. Terra incognita am nordöstlichen Tellerrand Deutschlands.


Blick die Peene entlang                            Peene - Der Amazonas Deutschlands

Die Entscheidung fiel dann zugunsten der Peene. Dieser Fluß ist auch als „Amazonas Deutschlands“ bekannt. Wir fanden dies einen ziemlich gewagten Vergleich, da aber Annette den „echten“ Amazonas wegen Schlangen und anderem „ekligen“ Getier nicht mit mir gemeinsam im Kajak befahren will, konnten wir uns auf den „deutschen Amazonas“ verständigen und dies, obwohl wir im Internet auch Berichte fanden, die über Schlangen an der Peene berichteten. Allerdings gab es in den Berichten mehr Biber als Schlangen. Und die gehören nun mal zu den Tierchen, die wir wirklich mal direkt vom Kajak aus sehen wollten. Startpunkt unserer Tour sollte Dahmen am Malchiner See sein.  Auf dem Weg zur Peene wollten wir einen Stopp in Wittenberg einlegen. Uns interessierte neben der Lutherstadt, die von Friedensreich Hundertwasser gestaltete Schule dort. Die Anreise gestaltete sich nicht ganz einfach. Durch frühzeitigen Aufbruch konnten wir die Staus im Großraum Stuttgart umfahren. Dafür erwischte uns dann der Feierabendstau in Mitteldeutschland. Erst gegen 20 Uhr kamen wir in der im Wittenberger Schloß gelegenen Jugendherberge an.  Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, machten wir uns zu einem ersten Stadtrundgang auf, der allerdings in der ersten Kneipe die uns zusagte, für diesen Abend endete.

Am Samstag vormittag konnten wir uns die Stadt noch einmal bei Tageslicht ansehen. Eine wirklich schöne alte Stadt. Das Hundertwasser Gymnasium sieht in der Realität noch weit schöner aus, als in irgend welchen Kunstzeitschriften. Ob die Durchschnitte an dieser Schule wohl mit denen anderer „konventioneller“ Schulen vergleichbar sind ?

Hundertwasserschule in Wittenberg                                                Baum-Mieter

Insbesondere das Prinzip der „Baum-Mieter“, wo die Natur im wahrsten Sinn des Wortes in der menschlichen Behausung verwurzelt ist und gleichzeitig den Bezug nach draußen zum Licht herstellt. Kann es bessere Möglichkeiten geben, ökologische Zusammenhänge darzustellen, als in einer solchen Schule?

Am Nachmittag hatten wir dann noch einige Mühe, unser eigentliches Ziel, den Campingplatz von Dahmen am Malchiner See zu erreichen. Irgendwie hatte uns unser Routenplaner zu einem zwar gleichnamigen Ort, allerdings an einem anderen See zu dirigieren versucht. Es kostete uns einen nicht unerheblichen Umweg, aber am Schluss haben wir den Campingplatz erreicht. Annette war nach der langen Fahrt rechtschaffen müde und legte sich nach dem Aufbau des Zeltes erst mal aufs Ohr. Währenddessen baute ich unsere beiden Faltkajaks auf.

Am Sonntag ging’s dann los. Zuerst über den Malchiner See, der für einen solch kleinen See ziemlich bewegt war. Am Ende des Sees angekommen war die Frage, wo ist jetzt die Ausfahrt ? Glücklicherweise kamen gerade einige Kanuten aus der entgegengesetzten Richtung, so dass wir hinter einer Schilfwand prompt die Einfahrt in den Peenekanal fanden.

Peenekanal

Wir beschlossen diesen Tag auf dem Platz des Kanuvereins von Malchin, wo wir gegen eine geringe Gebühr unser Zelt aufschlagen konnten. Später an diesem Abend gab es dann noch das Gewitter, das schon den halben Tag vor sich hin grummelte.

Eigentlich wollten wir am nächsten Tag weiter über den Kummerower See, aber alle warnten uns vor den kurzen und hohen Wellen auf diesem See, die schon einigen Kanuten und Seglern zum Verhängnis wurden. Wir beschlossen, die Warnungen für diesen Tag zu beherzigen und blieben noch einen zusätzlichen Tag in Malchin.

Auf unserem kleinen Sonntag nachmittags Ausflug per Boot zum Moorbauern haben wir einen Eisvogel gesehen. Diese Sommergaststätte ist nur mit dem Boot oder über einen kleinen Weg durch den Schilfgürtel zu erreichen. Als wir dort saßen, stiegen vom gegenüberliegenden Ufer vier Adler in die Luft. Der lakonische Kommentar des Moorbauern: „Lasst meine Hühner in Ruhe“.

Als wir am nächsten Vormittag auf unserem Weg zum Kummerower See wieder beim Moorbauern vorbeikommen, steht dort ein Schild mit der Aufschrift: „Leergegessen, deshalb heute geschlossen“.  So sieht also erfolgreiches wirtschaften aus.


Beim Moorbauern                            Annette auf der Peene

Der Kummerower See war heute spiegelglatt, von irgendwelchen Wellen keine Spur. Bei einer teilweisen Geschwindigkeit von über 6 km/h legt Annette ein Höllentempo vor. So erreichen wir schon gegen 14 Uhr den Ausfluß der Peene aus dem Kummerower See. Wir beschlossen, den Paddeltag auf dem Wasserrastplatz Verchen für heute zu beenden. Zu der Kneipe auf dem gegenüberliegenden Ufer gibt es einen regelmäßigen Fährverkehr, den wir gleich zum Kaffeetrinken ausprobiert haben.

Übrigens sind wir gerade dabei, den Fluß leer zu futtern. Gestern beim Moorbauern gab es Forelle, heute Wels und in Dahmen gab es schon Zander.

Eigentlich hatte ich ja gedacht, dass Vögel nachts schlafen. Aber einige hielten sich in dieser Nacht nicht daran. Dazu kam noch ein ausgewachsenes Froschkonzert. Irgendwann sind wir dann aber doch noch eingeschlafen. Weiter ging es auf der Peene in Richtung auf die Kreis- und Hansestadt Demin. Diese ehemalige Hansestadt hat uns allerdings ziemlich enttäuscht. Städtebaulich, gastronomisch und auch sonst. Der nächste Rastplatz für Wasserwanderer ist in Alt-Plestin. Unterwegs hatte ich einen Adler erschreckt. Protestierend erhob er sich in die Luft. Ich bin allerdings vermutlich nicht weniger erschrocken, als er.

Bei einer Besichtigung von Alt- und Neu-Plestin hat uns ein etwa 70 jähriger die Situation im Dorf und in Vorpommern zu erklären versucht. Anlaß für seine Erklärungen war, dass wir gerade vor einem Hof standen, der Straußenvögel züchtete. Aber eigentlich hatte ein Storchennest mit zwei kleinen Störchen, unsere Aufmerksamkeit erregt. Trotzdem war das Gespräch mit dem Rentner für uns „Wessis“ eine echte Geschichtsstunde.

Auf dem Wasserwanderrastplatz                                                        Reinold im Boot

Das Flussbett ist hier schon ziemlich breit. Wir sitzen jetzt schon eine ganze Weile am Ufer und es sieht aus, als würde der Fluß rückwärts fließen. Eigentlich hatten wir für heute abend auf Biber oder Otter gehofft – aber nun ist es schon ziemlich dämmrig, und es war noch keiner da.

Für dieses Mal schaffen wir es nur noch bis nach Anklam. Der Weg bis nach Usedom muss bis zum nächsten Mal warten.

Dieses nächste Mal findet zwei Jahre später, auch wieder an Pfingsten statt. Auf dem Weg an die Peene machten wir dieses Mal Station in Dessau, wo wir uns die Meisterhäuser der Bauhaus Architekten angesehen haben.

Dessau - Meisterhäuser                            Dessau - Meisterhäuser

Unsere Flusstour wollten wir dieses Mal auf dem wunderschönen Rastplatz in Stolpe beginnen. Allerdings muss ich dieses Mal die Boote im strömenden Regen aufbauen. Am nächsten Tag regnete es noch immer. Erst am Nachmittag lässt der Regen langsam nach. Wir machen einen Ausflug nach Anklam. Auf dem Rückweg in der Dämmerung, sind sie plötzlich da. An verschiedenen Stellen hören wir das Klatschen der Biberschwänze auf dem Wasser. Wir können Sie sehen, zum Fotografieren ist es allerdings schon zu dunkel. Wir schätzen, dass wir auf diesen zehn Kilometern 15 Biber gesehen haben. Am besten gefiel mir ein Biber, der gerade dabei war, eine kleine Birke abzuschleppen. Er hat ganz schön lange überlegt, ob es unbedingt sein muss zu tauchen – letztendlich hat er mir dann doch nicht getraut. Die Biber haben uns dann ums Abendessen gebracht – als wir zurück kamen war’s zu spät. Dafür heute morgen die Entschuldigung – wir hatten Frühstück bei der Hafenaufsicht bestellt. Und heute morgen war der Tisch mitten im Hafen gedeckt mit Tischdecke, Blumen Kuchen, frischen Brötchen und richtig gutem Kaffee.

Stolpe                            Warten auf Futter

Wieder auf dem Fluß entschlossen wir uns, auf dem Weg nach Lasan einen Zwischenstopp in Anklam einzulegen. Anklam hatte sich seit unserem ersten Besuch vor zwei Jahren nicht sonderlich verändert. Die ABM Stelle von vor zwei Jahren, gab es zum Glück noch immer und noch immer für die gleiche Person. Ansonsten scheint die Blütezeit dieser Stadt Otto Lilienthals schon lange vorbei zu sein, sofern es hier überhaupt jemals eine Blütezeit gegeben hat.

Von Anklam geht es weiter bis zur Mündung der Peene in den Peenestrom und ins Achterwasser.

Bis zur Mündung mäanderte die Peene ruhig vor sich hin. Danach wurde es dann etwas kabbelig. Keine richtigen Wellen, sondern eine unruhige Dünung. Zwischendrin, gegenüber von Usedom, fanden wir eine Stelle um an Land zu kommen und uns die Beine zu vertreten. Danach hatten wir noch ca. zehn Kilomenter vor uns. Irgendwann frischte der Wind, der direkt von vorn kam, stark auf. Die Wellen wurden größer und die Paddelei wurde zur harten Arbeit. Da tauchte dann endlich der Kirchturm von Lasan auf. Der Ausstieg war wohl schon seit längerem nicht mehr benutzt worden. Überall Entengrütze. Der Naturcampingplatz heißt wohl deshalb so, weil außer Rasen mähen, dort nicht viel gemacht wird.  


Haus in Lasan                            Zentralbibliothek von Lasan5

Als wir am nächsten Morgen die Boote wieder beluden, saß ein Frosch auf einem Grashalm und beobachtete interessiert unser Tun. Er ließ sich nicht einmal dadurch, dass wir ins Boot einstiegen, von seinem Platz vertreiben.

Unser heutiges Ziel war Wolgast. Die Bedingungen sind heute, im Vergleich zum gestrigen abend, ruhig, sozusagen Ententeichbedingungen. Das führte allerdings auch dazu, dass wir teilweise das Gefühl hatten, überhaupt nicht vorwärts zu kommen. Die Peene-Werft in Wolgast gehört heute zur Hegemann-Gruppe mit Sitz in Bremen. Solch eine Werft im Kajak zu umfahren, war schon eine tolle Erfahrung. Endlich kamen wir dann auch an die Brücke von Wolgast. Direkt dahinter ist das Vereinsheim des Kanuclubs Wolgast, wo wir im Garten unser Zelt aufbauen konnten.

Am nächsten Morgen, nachdem alles verpackt war, die Boote gepackt und wir im Wasser waren, merkten wir, als wir aus dem Windschatten der Bucht kamen, das dies ein höchst ungemütlicher und arbeitsamer Tag auf dem Wasser werden würde. Nachdem uns das klar wurde, überlegten wir, was zu tun sei. In der nächsten Bucht beschlossen wir, hier an Land zu gehen. Annette wollte los um das Auto zu holen. Allerdings stellte sich heraus, dass diese Bucht mit dem Auto nicht erreichbar war. Wir mussten die Boote und all unser Equipment zum nächsten erreichbaren Parkplatz tragen. Da der Weg durch eine Kleingartenkolonie führte, blieb der Landtransport von zwei Faltbooten nicht unbemerkt. Unter den Frotzeleien der Kleingärtner, die uns fragten, warum die Schiffe denn nicht im Wasser seien, brachten wir den zwei Kilometer langen Weg zum Parkplatz hinter uns. Und dann das gleiche noch einmal mit dem zweiten Boot, und mit der restlichen Ausrüstung.

Nachdem die Boote verpackt waren, machten wir uns auf den Weg den Campingplatz zu finden, den wir eigentlich per Boot erreichen wollten, nämlich das Waldcamp in Freest.


Peenemünde

Nach einer ausgiebigen Dusche heute früh, sind wir nach Peenemünde gefahren. Auf den ersten Blick hat mich das Museum sehr enttäuscht. Es stand nur irgendwelcher „Militärschrott“, Flugzeuge, Helikopter, Raketen herum. Im Gebäude des ehemaligen Kraftwerks wurde es dann aber viel besser. Meiner Meinung nach wurde eindrucksvoll dargestellt, dass diejenigen, die hier freiwillig arbeiteten sich nicht um Moral und Ethik scherten.

Danach ging es dann weiter nach Heringsdorf und Ahlbeck. Wir schafften es, noch ein Zimmer in der Jugendherberge von Heringsdorf zu bekommen. Irgendwo im ‚Untertan’ von Heinrich Mann gibt es eine Stelle die auf Usedom spielt. Nochmal nachlesen steht in unserem Reisetagebuch. Ich habe es bis heute nicht getan. Viele der alten Villen sind wunderschön restauriert und beinhalten nun Ferienwohnungen.  Ob die in der Hauptsaison alle vermietet werden können, erscheint uns allerdings fragwürdig.

Auf Usedom                        Usedom

So endet unsere Flusstour nicht ganz stilecht in den Kaiserbädern auf Usedom. Der Greifswalder Bodden und der Weg nach Rügen sind mögliche weitere Ziele in diesem für uns noch immer ziemlich unbekannten Teil Deutschlands, dessen landschaftliche Schönheit und die Freundlichkeit der Menschen uns beeindruckt hat.


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© Annette Baur und Reinhold Strecker , November 2006